Leserbriefe aus der Dolomiten:
Diskussion
Doktortitel
Mit großem Interesse verfolge
ich die Diskussion und bin
äußerst schockiert. Fast alle
Südtiroler nennen sich „Dr.“
obwohl sie wahrscheinlich nur
drei Jahre an einer Fachhochschule
waren. Und wahrscheinlich
wissen diese „Doktoren“
gar nicht, dass dies ein
illegales Handeln im EU-Land
bedeutet. Was machen diese
Südtiroler Doktoren, wenn sie
wirklich im EU-Ausland sind,
wie z.B. Österreich. Nennen
Sie sich da auch Doktor? Das
würde mich mal interessieren,
wie dreist diese Südtiroler mit
Doktortiteln im Ausland umgehen.
Aber interessant, dass man
diesen „dott.“ einfach als „Dr.“
übersetzt. Kein Wunder, dass
da ein richtiger „Dr.“ über diese
Missstände aufklären möchte.
Fünf Jahre Studium an der
Universität Wuppertal habe
ich hinter mir und bin Lebensmittelchemikerin,
habe aber
nicht das Recht mich Dr. zu
nennen. Warum darf das ein
Südtiroler?
Lucie Schott, D-Niebüll
*
Die angesprochenen fünf Leserbriefe
waren offensichtlich
notwendig, damit auch Herr
Dissertori endlich das Thema
der aktuellen Diskussion versteht.
Ich verweise zum dritten
Mal auf die Informationsseite
des Bildungsministeriums in
Rom www.study-in-italy.it.
Hier kann man nachlesen, dass
der bei der „laurea“ verliehene
Titel „dottore/dottoressa“ bzw.
„dott./dott.ssa“ lautet und dieser
nicht mit „Philosophy Doctor,
Docteur, Doctor, Doktor,
Doutor etc.“ bzw. „Dr.“ oder
„PhD“ verwechselt werden
darf. Die Nicht-Übersetzbarkeit
schließt also sogar die Abkürzungen
mit ein.
Wenn die Handwerksberufe
endlich auch auf das „Dissertori-
System“ umstellen, dürfen
sich alle Meister „Master“ und
alle Gesellen „Bachelor“ nennen,
was korrekte sprachliche
Übersetzungen sind. Da Motor
auf Englisch „engine“ heißt,
wäre „Master of Engineering
(MEng)“ ein wohlklingender
Titel für einen Mechanikermeister.
Vielleicht fallen ja anderen
Leserbriefschreibern ähnliche
Sinn entfremdende Übersetzungen
ein. Die Gedanken sind
frei.
Dr. rer. nat. Thomas Schmid,
Zürich, München, Bozen
*
Diesen zwei Herrn Akademiker
„Dr.“ oder „dottore magistrale“
und „Dr.rer.nat.“
würde ich raten, an die Unis
zurückzukehren, bis sich geklärt
hat, wer sich wie graduieren
bzw. titulieren darf.
Dies wäre wohl das „salomonste“
Urteil in dieser Rang-Polemik.
Vielleicht könnte dann
für einige Zeit diese Spalte für
eventuelle andere passionierte
Leserbriefschreiber frei sein.
Entschuldigung, aber diese
Leierkomödie beginnt langsam
zu nerven.
Konrad Rufinatscha,
Bozen
*
Einen sehr interessanten
Beitrag habe ich in der freien
Enzyklopädie „www.wikipedia.
de“ gefunden: „In Italien
gibt es im Wesentlichen drei
Arten von akademischen Graden:
,laurea‘, ,laurea specialistica‘
und ,dottorato di ricerca‘.
Kurzstudiengänge mit einer
Dauer von zwei bis drei Jahren
schließen mit der ,laurea‘ ab.
Nach etwa zwei weiteren Jahren
der Spezialisierung kann
die Prüfung zur ,laurea specialistica‘
abgelegt werden.
Laut Gesetz sind Studienabsolventen
berechtigt, den Titel
,dottore‘ (,laurea‘) bzw. ,dottore
magistrale‘ (,laurea specialistica‘)
zu führen, der allerdings
nicht der Promotion (Dr. oder
PhD) entspricht. Das Äquivalent
zum Doktor oder PhD ist
der ,dottore di ricerca‘ (Forschungsdoktor),
der nach ,laurea
specialistica‘ und anschließender
Forschungsarbeit (ca.
drei Jahre) verliehen wird.
Deutschsprachige Studienabsolventen
(Südtirol) führen
häufig eigenhändige Übersetzungen
des italienischen ,dottore‘
als Namenszusatz (z.B.
Dr., Dr.-Ing.), die aber nicht den
gleichlautenden akademischen
Graden im restlichen deutschen
Sprachraum entsprechen
und in dieser Form nicht
von Hochschulen in Italien verliehen
werden.“ Mehr zum
Thema – auch zur strafrechtlichen
Belangbarkeit (bis zu einem
Jahr Freiheitsstrafe in
Deutschland) des unberechtigten
Gebrauchs akad. Titel – im
Internet unter anderem auf
http://de.wikipedia.org/wiki/
Doktor.
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem.
Gernot Krame r,
Unterinn/Ritten
*
Es wird Ihnen, Herr Dissertori,
die Führung dieses nicht
erworbenen „Dr.“ in Südtirol
wahrscheinlich keine großen
Probleme bereiten, da landesweit
diese eigenartige Übersetzungspraxis
leider üblich ist.
Eigenartig deswegen, da man
sich gerade hier, unmittelbar
angrenzend an das deutschsprachige
Ausland, der Verwechslung
und Fehlinterpretation
dieses akademischen Grades
sehr wohl bewusst ist. Eigenartig
auch deswegen, weil
sehr viele Südtiroler auf Visitenkarten
und in Telefonbüchern
diesen nicht erworbenen
Titel führen und somit auch bei
ihren geschäftlichen Tätigkeiten
im Ausland falsche Tatsachen
vorgaukeln.
Im deutschsprachigen Raum
(Deutschland, Schweiz, Österreich)
gibt es Bestimmungen,
die die Führung akademischer
Grade regeln und schützen (vgl.
Studienrecht www.bmbwk.gv.
at) oder den Gebrauch von Titeln
unter Strafe stellen, sofern
der Tatbestand des unlauteren
Wettbewerbs oder des Betruges
erfüllt wird (vgl. www.crus.ch).
Laut deutschem StGB § 132 a
wird das unbefugte Führen von
Titeln mit einer Freiheitsstrafe
bis zu einem Jahr geahndet.
Aber vielleicht fahren Sie ja nie
über die Landesgrenze.
Maria Korn, Bruneck
Quelle: www.dolomiten.it, 17.11.2005
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